Kommentar: Stopp dem Höfesterben!

Gerade unsere Heimat Niederrhein ist durch landwirtschaftliche Familienbetriebe geprägt. Ich kann mich noch gut an Wiesen voller schwarzbunter oder rotbunter Kühe erinnern, an Getreidefelder mit Mohn- und Kornblumen. Und auf den Wiesen haben wir im Frühjahr dicke Sträuße mit Wiesenschaumkraut und Löwenzahn gepflückt. In nur wenigen Jahren hat sich das Bild drastisch gewandelt: Kühe sind nur noch sehr selten auf den Wiesen zu sehen. Unsere Felder gleichen farblichen Einöden und auf die Wiesen dürfen bestenfalls Pferde. Bodenbrütende Vögel wie Feldlerche oder Kibitz sind von der Bildfläche verschwunden.

Für diese Entwicklungen allein die Landwirte verantwortlich zu machen greift zu kurz und ist mehr als ungerecht! Sie kämpfen seit Jahren an vielen Fronten, um ihr Überleben zu sichern: Preisdruck im Lebensmittelhandel, strengere Auflagen zum Schutz von Wasser, Böden, Tieren und Artenvielfalt sowie die Folgen der Klimakrise mit Dürren, Stürmen oder Überschwemmungen.
Weiter sorgen steigende Pachten für immer weniger zur Verfügung stehendes Ackerland und Handelsabkommen wie «Mercosur» dafür, dass Agrarprodukte aus fernen Ländern importiert werden. Von einer immer weiter zunehmenden Bürokratie ganz zu schweigen. All das ist Ausdruck einer jahrzehntelang verfehlten Agrarpolitik mit einer Wachstums-Subventionspolitik, die nicht nur Existenzen, sondern auch unsere Natur zerstört.

Statt etwa Landwirte dabei zu unterstützen, umweltfreundlich und dem Tierwohl verpflichtet zu wirtschaften, werden mit Unterstützung der Bundesregierung Subventionen nach dem Gießkannenprinzip ohne große Auflagen verteilt. Ein System, von dem in erster Linie Großbetriebe mit viel Land und vielen Tieren profitieren sowie Agrarkonzerne und Finanzinvestoren. Gerade letztere haben doch überhaupt kein Interesse an einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Landwirtschaft. Geben die Böden nichts mehr her, zieht man weiter und kauft neues Land!
Für diese missliche Entwicklung hat man jetzt den Verbraucher und sein Kaufverhalten als verantwortlichen Treiber ausgemacht. Wir Verbraucher entscheiden mit unseren Kaufentscheidungen mit darüber, was und wie produziert werde (O-Ton Julia Klöckner). Geht’s noch?
Für die Gestaltung der Rahmenbedingungen, von Subventionszuwendungen über Düngemittelverordnung bis Tierschutz, sind einzig und allein die regierungstragenden Parteien verantwortlich. Ich finde es unerträglich, dass versucht wird, Verbraucher und Landwirte gegeneinander auszuspielen, um vom eigenen Versagen abzulenken. Und ich bin davon überzeugt, dass die Interessen unserer Landwirte und der Verbraucher gar nicht weit auseinanderliegen. Landwirte wollen ebenso die Umwelt schützen und ihr Kapital, nämlich Grund und Boden, nachhaltig bewirtschaften, um gesundes Essen für uns alle produzieren zu können. Sie müssen davon aber auch leben können! Wer weiterhin die Subventionspolitik «Wachse oder weiche» unterstützt, fördert anonyme Agrarfabriken und damit Monokulturen und Pestizideinsatz.

Die Agrarlobby steht schon in den Startlöchern, um sich Milliarden EU-Subventionen in Brüssel zu sichern. Im nächsten Jahr wird ein neues Agrar-Paket geschnürt. Hier muss sich die Bundesregierung in Brüssel für eine ökologische und nachhaltige Subventionspolitik einsetzen, damit familiengeführte kleine und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe wieder gestärkt werden.
Und mal ehrlich: Blühstreifen sind wichtig und gut – aber die dramatischen Entwicklungen werden sie nicht aufhalten. Dazu müssen große Maßnahmen angestoßen werden!