E-Mobilität – Ein Reisebericht

Seit drei Jahren sind wir stolze Besitzer eines vollelektrischen Kleinwagens. Wir wohnen außerhalb eines Willicher Ortskern, so dass wir für viele kurze Strecken das Auto benötigen und darüber hinaus täglich nach Düsseldorf einpendeln. Für diese kurzen Strecken setzen wir das E-Auto ein und sind damit bereits deutlich über 30.000 Kilometer gefahren.

Vielleicht war es meine sehr optimistische Grundhaltung neuen Erfahrungen gegenüber oder Übermut oder auch beides. Jedenfalls habe ich mich entschieden, zusammen mit meiner Tochter mit dem E-Auto nach Texel in den Urlaub zu fahren. Das Ladenetz in den Niederlanden ist seit Jahren sowieso viel besser ausgebaut als bei uns und außerdem habe ich mit Herrn Schouren aus Brüggen einen super Händler im Rücken, der nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung alles über elektrisches Fahren weiß und dieses Wissen auch gerne weitergibt, damit E-Mobilität nicht im Frust endet, sondern Spaß macht.

Zur Vorbereitung habe ich mir von Herrn Schouren das Schnellladenetz (Fastned) entlang der niederländischen Autobahnen zeigen und erklären lassen und die notwendige App heruntergeladen, um mich als Kunde registrieren zu können. Für alle Fälle habe ich auch noch eine aktuelle New Motion-Ladekarte bekommen. So ausgestattet bin ich mit einem guten Gefühl in mein kleines Abenteuer gestartet, wobei das Abenteuer vor allem darin bestand, dass ich eine zuverlässige Batteriereichweite bei guten Bedingungen und voll beladenem Auto von 120 Kilometern hatte.

Wir sind bereits um kurz nach 8.00 Uhr zu Hause gestartet. Wir haben mit mindestens drei Ladestopps von jeweils 30 Minuten für eine Entfernung von 325 Kilometern geplant und uns war klar, dass wir überwiegend im Eco-Modus fahren werden, was einer Geschwindigkeit von maximal 95 km/h entspricht – der Weg ist das Ziel.

Die Schnellladestationen von Fastned sind sehr gut zu erkennen und zum Teil auch auf den Hinweisschildern der Raststätten ausgewiesen Ein erster Sicherheitsselbsttest an einer solchen Station kurz hinter Venlo war dann auch gleich von Erfolg gekrönt, so dass wir von da an gut gelaunt unserem Urlaubsziel entgegenfuhren.

Die Zuversicht schwand erst als wir hinter Amsterdam laden mussten und keine Raststätte mit Fastned-Ladestation in Sicht war. Das Netz wurde hier ganz offensichtlich dünner. Wir haben dann unser Navi nach einer Lademöglichkeit in der näheren Umgebung suchen lassen und sind von der Autobahn runter. In Anbetracht der immer kleiner werdenden Akkuleistung kam uns die Strecke, kreuz und quer über die Dörfer zermürbend lang vor, bis wir dann ziemlich entnervt in Edam gestrandet sind. Beide Ladepunkte am Busbahnhof waren bereits belegt und nach einer gefühlt unendlich langen Wartezeit von 20 Minuten kam immer noch kein Wagenbesitzer, um einen Ladepunkt frei zu machen. Am Jachthafen sollte es laut Navi auch noch eine Ladesäule geben, so dass wir uns entschlossen mit dem letzten bisschen Energie auch noch dorthin zu fahren. Zum Glück war hier ein Ladepunkt frei! Wir stellten das Auto ab – wir hatten noch 3% Akku! Wir konnten noch nicht einmal mehr das Fenster hochfahren. Das Auto war kurz vor Mausetot!

Aber zu guter Letzt doch noch einmal Glück gehabt – dachten wir jedenfalls! Wir hatten zwar eine fürchterlich langsame Ladesäule gefunden, aber das war uns egal, wir hatten Urlaub und damit Zeit. Das Auto ließ sich brav mit der Ladesäule verbinden, aber: Wir bekamen keinen Strom! Die Ladesäule reagierte nicht auf unsere New Motion-Ladekarte. Dann kam der Autobesitzer, dessen Auto mit dem anderen Ladepunkt verbunden war. Aber auch er konnte uns nicht weiterhelfen, da man in den Niederlanden sowohl zum Ladestart als auch zum Entkoppeln des Kabels zum Ende des Ladevorgangs die Ladekarte an die Ladesäule halten muss. Er hätte uns damit zwar anschließen können, sah aber keine Möglichkeit nach zwei Stunden wieder zu kommen, um uns zu entkoppeln – doof, aber nachvollziehbar.

Daraufhin habe ich mich hilfesuchend an die Rezeption des kleinen Hotels am Jachthafen gewandt. Dort gab man mir den Tipp, die Rufnummer an der Säule anzurufen. Super Idee dachte ich, das klappt im Notfall ja auch in Deutschland. Der junge Mann, der sich meldete, sprach zum Glück auch deutlich besser Deutsch als ich Niederländisch und erklärte mir, dass er die Ladesäule nicht frei schalten kann. Er kann nur bei technischen Störungen helfen. Er riet mir doch besser den niederländischen Pannenservice anzurufen, was ich in Ermangelung an Alternativen dann auch tat. Verbunden wurde ich allerdings nur mit einem hilfsbereiten Chatbot, der mir auf Niederländisch viele Fragen stellte, die ich nicht verstand und mich aufforderte die 1, 2 oder 3 zu drücken. Als ich nach einiger Zeit und wahllos gedrückten Tasten wieder die Frage verstand, ob ich ein technisches Problem in Spanien, Frankreich oder Belgien hätte, habe ich aufgelegt. Wieder zurück zum Hotel mit der Frage, ob sie eine Außensteckdose hätten. Ich hatte ja das „Notfallkabel“ mitgenommen, mit dem eine Ladung auch über eine normale Haushaltssteckdose funktioniert. Leider war keine Außensteckdose vorhanden, aber eine andere Mitarbeiterin meinte zu wissen, dass die Ladesäulen mit jeder „Bankkarte“ bedient werden können. Aha! Davon hatte ich noch nie gehört und es gab hierzu auch keinen Hinweis auf der Ladesäule, aber zu verlieren hatte ich auch nichts mehr. Ich verkabelte wieder Auto mit Ladesäule und hielt meine EC-Karte an die Säule – nichts tat sich. Ich versuchte es auch noch, verbunden mit etwas mehr Hoffnung mit der VISA-Karte, aber auch das machte keinen Eindruck auf die Säule. In einer Art von Zynismus geprägten Stimmung hielt ich sämtliche Karten, die sich in meinem Portemonnaie befanden an die Säule, von Büchereiausweis bis Runnerspoint-Kundenkarte, fest damit rechnend, dass diese natürlich auch nicht funktionieren werden und wurde in diesem Bewusstsein leider auch bestätigt. Und dann plötzlich und unerwartet doch noch das Geräusch des Verriegelns und ein leises Summen. Die Säule gab Strom und das Auto lud! Ausgelöst durch die Ladekarte der Stadtwerke, dich noch im Mäppchen beim Fahrzeugschein fand. Wir konnten es nicht fassen! Wir schauten im Drei-Sekunden-Takt immer wieder abwechselnd auf die Anzeige, ob das Auto immer noch lud, um sicher zu gehen, dass wir uns das nicht einbildeten. Das Auto lud, wenn auch nur ewig langsam – „Restladezeit 2:50 Stunde.“ Wir nahmen unseren verbliebenen Reiseproviant und setzten uns auf eine Bank am Jachthafen, wo wir vor Erleichterung erstmal nur stumm unsere Brote nass heulten. Jetzt waren wir von der Anspannung so energielos, dass wir uns auch nicht mehr aufraffen konnten uns vom Hafen wegzubewegen, um uns das sicherlich hübsche Städtchen Edam während der Ladezeit anzusehen. Wir sind nur immer mal wieder zum Auto gegangen und haben sehr ergeben festgestellt, dass der Akku voller wurde. Nach etwa zwei Stunden hatten wir wieder so viel Leistung, dass wir es auf jeden Fall bis Den Helder schaffen konnten. Kaum wieder zurück auf der Autobahn mussten wir feststellen, dass es gar nicht nötig war von der Autobahn abzufahren, denn die nächste Raststätte hatte wieder Fastned-Schnellladesäulen – wussten wir nur leider nicht und es war auch nicht ausgeschildert – Anfängerpech!

Auf der kleinen Insel Texel gibt es mindestens 30 Ladesäulen. Die gleichen Ladesäulen wie in Edam. Auch hier konnten wir mit unserer Stadtwerke-Ladekarte das Auto laden – echt verrückt!

Unser Weg nach Hause war dann zum Glück nicht mehr so aufregend. Über die Fastned-App gibt es die Möglichkeit der Routenplanung, so dass wir hierüber planen konnten, welche Raststätte wir anfahren werden und sind so auch wirklich gut zu Hause angekommen. In Punkto E-Mobilität wieder viel gelernt und bei den Erfahrungen aus Deutschland bin ich mir sicher, dass es noch weitere Abenteuer geben wird.